Mein Weg zum CI nach 48 Jahren einseitiger Taubheit
von Marion

Die ersten acht Jahre meines Lebens habe ich ganz normal gehört. Zwar war ich ein „Erkältungskind“, aber mit den Ohren hatte ich keine Probleme. Doch dann bekam ich Masern und gleich im Anschluss daran Mumps. Während der Masernerkrankung hatte ich fürchterliche Ohrenschmerzen und während des Mumps merkte ich, dass ich es nicht mehr hörte, wenn ich mich z.B. hinter dem rechten Ohr kratzte.

Meine Eltern waren sehr besorgt, gingen gleich mit mir zum HNO – Arzt, der Taubheit rechts diagnostizierte. Um meine Eltern zu beruhigen, dass er nichts unversucht ließe, schickte er uns nach Münster in die Uniklinik. Dort „beruhigte“ der Arzt meine Mutter mit dem Satz:“Seien Sie doch froh, dass es nur ein Ohr betroffen hat. Mit einem Ohr kann man leben. Ihre Tochter wird aber nie ein Instrument lernen können“. Für meine Mutter war das alles ganz schrecklich, für mich erst etwas Besonderes und dann gehörte es einfach zu meinem Leben.
In der Schule saß ich immer vorne, um möglichst viel vom Unterricht mitzubekommen. Damals gab es noch Frontalunterricht. Probleme hatte ich erst im Gymnasium, dass ich nicht immer die Diktate in Französisch richtig verstand, aber das war es auch schon. Ja und was das Instrument anging, so habe ich es allen gezeigt: Ich war als Kind begeisterte Kinderchor- Sängerin in der Kirche und habe sowohl Blockflöte als auch Akkordeon gelernt und jahrelang sogar im Orchester gespielt.

Auch das Studium bereitete mit keine Probleme.

Im Referendariat merkte ich, dass ich zwar manchmal nachfragen musste, wenn ich Schüler nicht verstand, die zu leise sprachen oder ganz hinten saßen. Aber eigentlich ging das ja jedem so und ich gleiche das bis heute dadurch aus, dass ich in der Klasse nur stehe und auch viel durch den Raum gehe, also auf die Hörquellen zu.

Aber dann kamen die Probleme. Mit Mitte Dreißig hatte ich den ersten Hörsturz auf der linken Seite. Das Gehör kam zwar weitgehend zurück, aber nicht vollständig. Zwei Jahre später dann den nächsten. Zu der Zeit hatte ich einen unsäglichen HNO – Arzt. Jedesmal, wenn ich in die Praxis kam, ordnete er neben den Infusionen sofort einen Hörtest an, also fast täglich, und „ermunterte“ mich dann mit den Worten: „ Wie schrecklich! Eine so junge Frau! Das muss aber besser werden!“ Ab dem Zeitpunkt waren Hörtests für mich der Horror und ich lebte eigentlich ständig in Panik, dass ich ganz ertauben könnte. Meine Gedanken gingen dahin: Hauptsache ich höre noch so viel, dass ich mich mit meiner Familie unterhalten kann.

Nach einem HNO – Arzt Wechsel bekam ich dann mit 42 endlich ein Hörgerät verordnet. Ich sage bewusst endlich, denn das war mein erster Gedanke, als ich es das erste Mal anmachte, warum hat mir das nicht schon eher jemand verschrieben. Die Welt hatte mich wieder, bzw. ich die Welt des Hörens. Und wie laut sie war! Endlich waren Gespräche nicht mehr so anstrengend. Ich hatte eine sogenannte Bicrossversorgung, also Hörgerät auf dem linken Ohr, Mikro auf dem rechten und das Ganze verbunden durch ein Kabel. Damit kam ich über zehn Jahre prima zurecht.

Doch dann merkte ich, dass mein Gehör immer mehr nachließ und die Panik kam wieder, denn in meiner Familie mütterlicherseits gibt es eine vererbte Innenohrschwerhörigkeit. Alle Frauen sind davon betroffen: Mutter, Großmutter, Urgroßmutter. Hinzu kamen sporadische Anfälle eines gutartigen Lageschwindels. Im Zuge der damit verbundenen Untersuchungen meinten meine HNO – Ärzte in Bielefeld minimale Hörreste rechts gefunden zu haben und schickten mich gleich nach Hannover, um abklären zu lassen, ob ein CI möglich wäre. Ich weiß noch, dass ich auf dem Weg von der HNO – Praxis nach Hause nur geheult habe. Die Perspektive durch ein CI eventuell wieder hören zu können, war einfach unfassbar. In Hannover wurden dann nur diverse Hörtests gemacht, CT und MRT waren schon in Bielefeld gemacht worden. Die Oberärzten führte dann ein Abschlussgespräch mit mir, wenn man das so nennen kann. Sie sprach nämlich mit dem Rücken zu mir hauptsächlich zu einer Praktikantin und erklärte der, was es mit meinen Ohren auf sich hatte. Sehr befremdlich! Fazit war, dass sie zwar eine gute Chance für eine CI – OP sähe, mein Ihr wäre geradezu prädestiniert. Sie würde mich aber nicht operieren, weil ich links zu schlecht höre. Eine völlig unsinnige Aussage. Hätte sie gesagt, wir dürfen keine einseitig Ertaubten operieren (2008), hätte das Ganze Sinn gemacht. Aber sie begründete es mit meinem schlechten Hören links und ich solle in zwei Jahren mal nachfragen, vielleicht wären sie da medizinisch weiter. Also waren alle Hoffnungen zerschlagen. Meine HNO – Ärzte konnten es gar nicht verstehen und meinten, ich solle mal warten, im nächsten Jahr gäbe es ein CI -Zentrum in Bielefeld. Ich bin dann aber umgezogen nach Hagen, was sich im Nachhinein als Glück erweisen sollte.

Über eine junge Kollegin, deren Mutter im CIC – Hagen arbeitete bekam ich 2010 den ersten Kontakt zu Professor Laubert. Auch er war der Meinung, dass man durchaus ein CI machen könne, er das auch machen würde, wenn ich es wolle.Aber er sähe wenig Chancen, dass ich nach so langer Taubheit jemals Sprache versteh würde. Töne, Geräusche ja, aber Sprache eher nein. Und das wollte ich auf keinen Fall. Ich wollte Sprache! Ich wollte meine Umwelt besser verstehen! Aber doch nicht noch mehr Geräusche, die mich am Verstehen hindern! Davon hatte ich in der Schule genug. Also entschied ich mich erst einmal gegen ein CI und für eine neue Bicrossversorgung.

Im Frühjahr darauf habe ich mir dann einen blöden Pseudokeuchhusten von meinen Schülern eingefangen, der mich völlig aus der bahn geworfen hat. Meine Ärzte fand es an der Zeit, eine Reha zu machen. Zu Hause habe ich mir dann überlegt, wenn Reha, dann muss es eine Hörreha sein, mit Therapeuten, die sich auf Hörgeschädigte einstellen. Denn ansonsten nützt mir kein Entspannungstraining etc. etwas, wenn ich es nicht verstehe. Also wurde eine Reha mit Schwerpunkt Hören beantragt. Sie wurde auch sofort genehmigt, zuerst in Bad Nauheim, die hatten aber extrem lange Wartezeiten und so landete ich im Juni 2011 in den Bosenbergkliniken in St. Wendel. Dort gab es keinen Therapeuten, der mich nicht fragte, warum ich denn kein CI hätte. Nun ich hätte ja gerne eins, aber Hannover wollte ja nicht. Während dieser Rehazeit habe ich so viele Menschen mit CI kennengelernt, die damit wunderbar hören und verstehen konnten, auch nach langer Taubheit, Dass für mich feststand, das ich das auch unbedingt wollte. Die Möglichkeit, die Erfahrungen der Betroffenen von ihnen selbst zu hören, zu erleben, wie gut sie kommunizieren konnten, hat mich vollends überzeugt und motiviert. Ich sagte dann zu meiner behandelnden Ärztin, dass ich nicht aus St. Wendel fort wolle, bevor sie mit klipp und klar sagen könnten, ob mein Ohr für ein CI geeignet sei oder nicht. Herr Bellagnech machte dann den Promontoriumstest und war hellauf begeistert. Ich weniger. Das sollte es gewesen sein? Das Kribbeln, das Gefühl, ein Bienenschwarm summt, sollte der Beweis sein, dass mein Hörnerv funktioniert? Aber alle in St. Wendel waren überzeugt, das klappt. Nach langer gründlicher Überlegung, ob ich mich in Mannheim operieren und dann die EA in ST. Wendel machen lassen sollte oder doch eine Versorgung mehr in der Nähe sinnvoll wäre, entschied ich mich dann für das CIC Hagen. Herr Bellagnech hatte mich dahingehend ermutigt, dass der Operateur sehr gut sei und ich unbesorgt dorthin gehen könne. Also habe ich mir schon von St. Wendel aus einen Termin für die VU in Hagen gemacht.

In Hagen wurde ich von Anfang an von Frau Tekampe begleitet, sei es zu den einzelnen Untersuchungen, zum Gespräch mit dem Professor, bei der OP war sie dabei und hat die erste Prüfung gemacht, ob das CI funktioniert, war während der gesamten Krankenhauswoche nach der OP jeden Tag bei mir, machte die EA und bis heute Hörtraining und Einstellungen. Aber zurück zu den VU. Sie fielen alle positiv aus und der Professor gab grünes Licht, vor allem weil ich ja so motiviert sei. Aber Sprache, nein, an Sprachverstehen glaube er nicht, denn immerhin sei ich 48 Jahre taub. Aber er ließe sich gerne vom Gegenteil überzeugen und zwinkerte dabei mit den Augen. Hätte ich nicht die positiven Erfahrungen in St. Wendel gemacht, hätte ich vielleicht einen Rückzieher gemacht. Aber so habe ich nur gedacht: redet ihr nur, ich will die OP, ich will Sprache und OP – Risiken interessieren mich überhaupt nicht.

So wurde am 10.10.2012 die CI – OP rechts im St. Josefskrankenhaus in Hagen durchgeführt. Alles verlief ohne Komplikationen. Die Betreuung war exzellent. Ich habe mich rundum wohlgefühlt. Jetzt hieß es nur noch warten bis zur EA:

Die CI- Selbsthilfegruppe Hagen

Die Hörschnecken (CI SHG Hagen und Umgebung)

Wenn Sie

  • Informationen rund um das CI haben wollen ( das CI ist eine Innenohrprothese für hochgradig schwerhörige und gehörlose Kinder und Erwachsene),
  • CI – Träger sind,
  • überlegen, ob für Sie ein CI in Frage kommt, aber dazu 1000 Fragen haben,
  • Probleme mit dem Hören haben,
  • sich einfach mal mit Betroffenen austauschen wollen,
  • mit anderen Ihre Freude über das neue Hören teilen wollen,
  • erfahren wollen, dass auch andere die gleichen Sorgen und Probleme haben,
  • in lockerer Atmosphäre sich alle Sorgen und Fragen zum CI von der Seele reden wollen,
  • ihre Angehörigen Sie begleiten und unterstützen wollen,

dann sind Sie bei uns genau richtig.

Kontakt:

Leitung: Marion Hölterhoff ,  Tel. 02374752186
Stellvertretung: Dieter Fraune, Tel. 02333/89126
E-Mail: ci-shg-hagen@civ-nrw.de   

Die Gruppe ist Mitglied im CIV-NRW e.V. - www.civ-nrw.de
CIV NRW Logo grün 300

Die CI- Selbsthilfegruppe bietet Informationen für Schwerhörige, CI Träger, Angehörige und Interessierte.,
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