Frühanpassung des Sprachprozessors in den Bosenbergkliniken
Interview mit Dipl. Ingenieur Ahmed Bellagnech
Marion Hölterhoff
Herr Bellagnech, Sie verfolgen seit einiger Zeit in den Bosenbergkliniken ein neues Konzept zur Erstanpassung der Sprachprozessoren. Können Sie uns dazu nähere Informationen geben?
Ahmed Bellagnech
Ja, in Zusammenarbeit mit Prof. Hörmann und Prof. Seidler gehen wir seit einiger Zeit das Wagnis der frühen Anpassung ein.
Marion Hölterhoff
Was hat Sie dazu bewogen?
Ahmed Bellagnech
Wir haben uns gefragt, warum sollten wir erst so spät anpassen und warum nicht früher? Früher waren die OP – Schnitte extrem groß. Heutzutage operieren die Chirurgen minimalinvasiv, d.h. die Schnitte sind max. 2 – 3 Zentimeter lang und die Patienten sind nach 10 Tagen fit.
Natürlich nehmen wir eine Frühanpassung nur in Absprache mit dem behandelnden Arzt vor.
Normalerweise beträgt die Wartezeit bis zur Erstanpassung 4 bis 6 Wochen. Das ist einfach zu lang. Der Patient ist sehr motiviert zu hören und diese Motivation wollen wir nutzen. Die Kostenträger sind daran interessiert, dass die Menschen wieder schneller in den Beruf kommen. Die Wiedereingliederung sowohl in den Beruf wie auch in das soziale Umfeld klappt mit einer frühen Erstanpassung und der daran anschließenden Rehabilitation wesentlich schneller. Gerade die übersteigerte Erwartungshaltung des sozialen Umfeldes führt bei einer langen Wartezeit auf die Erstanpassung zu einer Demotivation der Patienten.
Marion Hölterhoff
Wie gehen Sie in den Bosenbergkliniken vor?
Ahmed Bellagnech
In Absprache mit dem OP – Arzt nehmen wir die Erstanpassung in der Klinik nach 10 bis 14 Tagen vor. Die Patienten kommen hoch motiviert zu uns. Die früheste Anpassung erfolgt bis jetzt nach 8 Tagen. Unser Ziel ist es, die Erstanpassung bereits nach Abnahme des Druckverbandes vorzunehmen.
Marion Hölterhoff
Gibt es da keine Probleme mit der Wunde?
Ahmed Bellagnech
Es besteht absolut kein Grund, wegen der Wunde so lange zu warten. Die Spule kann man mit einem stärkeren Magneten befestigen und der SP kann mit unterschiedlichen Haltevorrichtungen an der Kleidung festgemacht werden, so dass er mit der Wunde nicht in Berührung kommt.
Marion Hölterhoff
Haben Sie schon Ergebnisse in Bezug auf die frühe Erstanpassung?
Ahmed Bellagnech
Im Moment entsteht eine wissenschaftliche Arbeit in Zusammenarbeit mit den Kliniken in Mannheim, Homburg, Hamburg, Berlin und Mönchengladbach. Die bis jetzt vorliegenden Ergebnisse zeigen im Vergleich zu der späten Erstanpassung keine Unterschiede. Sowohl die Impedanzen als auch die C-Level sind gleich stabil. Das Sprachverstehen ist gleich gut.
Marion Hölterhoff
Wie geht es aber mit den Patienten nach der Erstanpassung weiter? Wer betreut sie dann?
Das Ziel muss sein, gleich nach der OP eine Anschlussheilbehandlung oder Reha zu beantragen.
Die Patienten kommen dann für 6 – 8 Tage zu uns in die Klinik. Die Anreise erfolgt sonntags, damit wir am Montag ausgeruht starten können. Danach fahren sie erst einmal nach Hause.
Spätestens 6 – 8 Wochen nach der Erstanpassung sollte eine stationäre Reha erfolgen, in der die erzielten Ergebnisse gefestigt und ausgebaut werden können. Die operierende Klinik bleibt in der ganzen Zeit und auch danach der Ansprechpartner. Dort können jederzeit Termine für nötige Anpassungen vereinbart werden, ebenso sollte dort weiteres Hörtraining durchgeführt werden.
Marion Hölterhoff
Welche Vorteile bringt eine stationäre Reha für die Patienten?
Ahmed Bellagnech
Heute gibt es viele kleine Kliniken, die nicht das nötige Personal oder die notwendige Ausstattung haben, um die Patienten in der Rehabilitationsphase angemessen zu betreuen. In der stationären Reha ist alles vereint: Anpassungen, Erklärung des Zubehörkoffers, Einzel - Hörtraining und Gruppen - Hörtraining und nicht zu vergessen, die technische Erklärung. Wie oft kommen Patienten zu uns, die Monate oder gar Jahre ein CI haben und nicht wissen, wie sie die Fernbedienung nutzen können.
Eine stationäre Reha ist unverzichtbar. Wir verfolgen hier ein ganzheitliches Konzept. Dabei darf man auch nicht die psychologische Belastung durch die OP und die Erwartungshaltung, was das neue Hören betrifft, vergessen. Hier haben die Patienten die nötige Ruhe und können sich ganz auf den Prozess des Hörenlernens einlassen.
Ich möchte auch noch auf die Bedeutung der Erstanpassung hinweisen. Es kann immer zu Problemen wie Schwindel, Tinnitus oder Kopfschmerzen kommen. Hier in der Klinik können wir sehr schnell darauf reagieren und durch neue Anpassungen das Problem beseitigen.
Marion Hölterhoff
Herr Bellagnech, die CI - Gemeinde wird Ihre Forschungen mit Interesse verfolgen. Ich danke Ihnen für das sehr informative Gespräch.
Das Interview wurde im Rahmen des 8.CI-Symposiums der Bosenbergkliniken vom 14./15.11.2014 geführt
Text: Marion Hölterhoff, Leiterin CI-SHG Hagen
Bilder: Peter G.A. Hölterhoff - www.cmmtv.com