Die Universitätsmedizin Göttingen (UMG) hat mit Jahresbeginn 2015 ein neues Institut für Auditorische Neurowissenschaften eingerichtet. Das neue Institut wird geleitet von Prof. Dr. Tobias Moser, Leibnizpreisträger des Jahres 2015, Sprecher des Sonderforschungsbereichs SFB 889 „Zelluläre Mechanismen sensorischer Verarbeitung“ und Leiter des InnenOhrLabors und des Audiologischen Zentrums der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde. Das neue Institut für Auditorische Neurowissenschaften befasst sich mit der Erforschung von molekularen und zellulären Grundlagen des Hörens bis hin zur Entwicklung gentherapeutischer und optogenetischer Ansätze für die Behandlung von Schwerhörigkeit.
FORSCHUNGSSCHWERPUNKTE DES INSTITUTS
Das Institut für Auditorische Neurowissenschaften befasst sich mit Fragen zur sensorischen Grundlagenforschung (Synapsen), der Cochlea-Implantat-Forschung und der klinischen Audiologie. Ziele sind die Aufklärung der Vorgänge beim Hören bis ins Detail, die Erforschung der Schwerhörigkeit und die Entwicklung von Behandlungsmöglichkeiten. Dabei konzentriert sich die Forschung des neuen Instituts auf drei Schwerpunkte:
1. Molekulare Anatomie, Physiologie, Pathologie und Therapie sensorischer Synapsen:
Im Fokus stehen dabei die Synapsen (Kontaktstellen) zwischen Haarsinneszellen und Hörnervenzellen in der Hörschnecke und die Synapsen der Hörnervenzellen im Hörschneckenkern des Stammhirns. Diese beiden Synapsentypen der sogenannten Hörbahn sind strukturell und molekular sehr verschieden. Sie vollbringen täglich Spitzenleistungen, die es erlauben zu hören, Sprache zu verstehen und mit den Ohren den Schall zu orten. Mehr als hundertmal pro Sekunde wird Information über akustische Signale durch diese Synapsen mit einer zeitlichen Präzision von unter einer tausendstel Sekunde übertragen. Viele der zugrundeliegenden biologischen Mechanismen sind noch ungeklärt. Synapsen der Haarsinneszellen sind bei einigen Formen der erblichen und erworbenen Innenohrschwerhörigkeit betroffen. Das Institut erforscht die Krankheitsmechanismen und Konsequenzen für das Hören bei diesen „Synaptopathien“. Schließlich versuchen die Forscher im Tierversuch mit Hilfe von sogenannten viralen Genfähren Gendefekte zu reparieren, die zu Synaptopathien führen.
2. Entwicklung des optogenetischen Cochlea-Implantats:
Wenn das Innenohr versagt, hilft ein Cochlea-Implantat den schwersthörigen oder tauben Betroffenen wieder Sprache zu verstehen. Das Cochlea-Implantat reizt die Hörnervenzellen direkt elektrisch und ist mit über 300.000 Nutzern weltweit die erfolgreichste Neuroprothese. Doch das Hören mit dem Cochlea-Implantat ist noch weit entfernt vom normalen Hören und schränkt die Nutzer besonders beim Verstehen von Sprache bei Hintergrundgeräuschen und beim Musikhören ein. Dies liegt ganz wesentlich daran, dass der elektrische Strom sich in der Salzlösung der Hörschnecke weit ausbreitet. Wenn man Licht anstelle von Strom zur Stimulation der Hörnervenzellen verwenden könnte, so die Forscher, könnte man den Reiz besser fokussieren und so die Tonhöhenwahrnehmung fundamental verbessern. Um die Nervenzellen lichtempfindlich zu machen, bauen die Forscher mit Genfähren aus Algen gewonnene „Lichtschalter“ ein. Damit konnten sie in Labortieren bereits erste Erfolge erzielen.
3. Klinisch-audiologische Forschung:
In Zusammenarbeit mit der HNO-Klinik und Humangenetikern erforschen die Wissenschaftler die Ursachen von Schwerhörigkeit und ihre Versorgung mit Hörgeräten und Cochlea-Implantaten.
Das Forschungsprofil des Instituts soll über die geplante Einrichtung von zwei weiteren Professuren zusätzlich weiter verstärkt werden.
Stefan Weller
Universitätsmedizin Göttingen - Georg-August-Universität